Langzeitbericht Canyon Grail Al

Mitte Juni 2019 war es endlich soweit: Das bestellte Canyon Grail Al 7.0 Outback Olive in Größe M ist bei mir eingetroffen. Ich musste „nur“ knapp vier Monate darauf warten und war froh, dass es noch vor dem angekündigten Termin im August verschickt wurde.

Das Grail war meines Wissens nach das erste „offizielle“ sgn. Gravelbike auf dem europäischen Markt und nachdem ich mir das mögliche Einsatzgebiet und die üblichen Spezifikationen angeschaut hatte, fiel mir die Entscheidung nicht schwer. Denn nach meinem Umzug nach Hamburg habe ich mein Carbonrad viel zu selten benutzt. Der Grund: Um auf schöne Strecken zu kommen, die man mit den 20mm Reifen fahren kann, musste ich durch die Innenstadt fahren, die sich durch unzählige Ampeln und Baustellen auszeichnet. Und natürlich durch Autofahrer, die mit sich selbst nicht klar kommen… Man kennt das ja.

Nach mehreren Versuchen war der Frust größer als der Spaß – ich brauchte in fast jeder Richtung ca. 30-60 Minuten, bis es „schön“ wurde. So hing der Carbonrenner mehr an der Wand als dass er benutzt wurde und ich konzentrierte mich aufs Laufen.

Mit dem Canyon Grail sollte alles anders werden. Und das wurde es!

Also packe ich Mitte Juni das Grail aus und beim Zusammenbau gibt es kleine Momente der Enttäuschung. Eine kleine Delle am Unterrohr, ein kleiner Lackabplatzer an der Carbongabel in der Nähe der Steckachsenbefestigung – nichts wirklich Schlimmes, aber es dämpft die große Vorfreude. Transportschäden konnte ich ausschließen, da der Karton nicht beschädigt war und die Stellen nicht zu berühren waren. Hier hat die von Canyon selbst so hoch gelobte Qualitätssicherung einfach versagt. Ich gehe davon aus, dass niemand hingeschaut hat. Rahmen und Gabel kamen aus China, wegen des Zeitdrucks wurden die Teile schnell zu einem Bike zusammengeschraubt und verpackt – was soll’s? Der Rest: Das Unterrohr völlig ungeschützt – keine Folie zum Schutz vor Lackabsplitterungen? Die hatte sogar der Carbonrenner. Der Canyonsupport zeigte sich nach einigen Mails wegen der Beule und dem Lackabplatzer kulant und stellte einen kleinen Gutschein für den eigenen Shop aus. Auf eigene Kosten habe ich dann noch eine Schutzfolie auf das Unterrohr geklebt und dann konnte ich endlich „allroad“ fahren.

Meine Gedanken zum Canyon Grail im Juni 2019

Canyon lobt in seiner Werbung die Designer und Ingenieure der Rahmen und auch die Qualitätskontrolle. Warum dann zwischen Oberrohr und Sattelrohr ein offensichtlich nachträglich eingeschweißtes Aludreieck kommt, das offenbar von einem Lehrling geschweißt wurde, ist mir ein Rätsel. Das Ding stabilisiert, das ist klar. Aber wie kann es bei einer Konstruktion von fähigen Ingenieuren passieren, dass der Rahmen bei einer bestimmten Belastung instabil wird? Canyon hatte zu diesem Zeitpunkt eigentlich genug Erfahrung im Rahmenbau. Meine Vermutung: Es musste billigeres Material verwendet werden als ursprünglich geplant, und so ist die Stabi verloren gegangen. Die Ad-hoc-Lösung war dann das erwähnte Dreieck. Hässlich, aber irgendwann nicht mehr störend.

Ansonsten sieht das Grail mit den Schwalbe G-One Bite Reifen einfach schick aus. Und es fährt sich super! Nach dem entspannten Einfahren startete ich meine Ausflüge in den Norden der Stadt. Gravelterrain direkt vor der Haustür – ob an der Kollau lang, durchs Niendorfer Gehege oder über beschissene Radwege: Dem Grail war alles egal.

Und das macht richtig Spaß! Einfach fahren, egal in welche Richtung. Bordsteinkanten, Baustellen, Kopfsteinpflaster, Schotter, Sand, Waldwege, Asphalt, Wurzeln, Wiese… Egal, man fährt alles und freut sich über die ständige Abwechslung. Früher also Kilometerfresser auf 100 % Asphalt – jetzt lang, wohin die Nase reicht. Und das Beste daran? Keine Autofahrer mehr im Nacken, wenn man nicht will. Herrlich!

Seitdem ich verstanden habe, dass Gravelbiken eigentlich Allroadbiken bedeutet, hat sich mein Fahrgebiet in der Fläche deutlich erweitert. Statt auf der Straße fahre ich jetzt auf Trails, Wald- und Feldwegen. Und nur noch Straße, wenn es sein muss.

Übrigens: Die Schwalbe G-One Bite sind der absolute Wahnsinn. Ich habe noch nie einen Reifen gehabt, der absolut jedes Gelände bei jedem Wetter mit dem Gefühl fährt, jederzeit die Kontrolle zu haben. Ich bin durch Regen und Matsch gefahren, aber auch durch Schnee und Eis, durchs Unterholz oder in Schweden über Straßen mit faustgroßen, spitzen Steinen – der Reifen hat sich nie beschwert.

Jetzt hat der erste Reifen mit dem G-One Bite fast 5500 Kilometer ohne einen einzigen Platten hinter sich. Ich wiederhole: Ich fahre auf den unmöglichsten Untergründen und habe mehr als fünftausend Kilometer zurückgelegt und noch keinen einzigen Platten gehabt. Die Reifen und Schläuche sind noch original!!!

Nach dem jetzigen Verschleißbild schätze ich, dass der Hinterreifen noch ca. 1.000 Kilometer durchhält, der Vorderreifen ca. 1.500. Absoluter Wahnsinn – ich möchte nie wieder einen anderen Reifen auf dem Gravler fahren.

Und auch der Grail hält gut. Die 105er Shimano Gruppe ist wie immer unzerstörbar. Auch hier alles noch im Originalzustand. Die Schaltung ist präzise, die Bremsen 1A, nicht mal die Kette „hängt durch“. An den Kurbelarmen gibt es hier und da einen Kratzer und auch die Felgen haben ganz leichte Kratzer von Steinen abbekommen, aber alles in allem wirkt das Grail noch recht frisch.

Das Vertrauen in das Rad ist mittlerweile so groß, dass ich auch längere Schottertouren mit Gepäck damit unternehme und nur das nötigste Werkzeug mitnehme, das ich bisher noch nicht gebraucht habe.

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